Eine einfühlsame, sanfte Pflege an den richtigen Stellen ist für Pferde erheblich angenehmer als eine Standard-Pflege – und ein nachhaltig positives Erlebnis, das sie lange im Gedächtnis behalten, wie französische Forscher herausfanden.
Die gegenseitige Pflege ist ein wichtiger Bestandteil im sozialen Leben von Pferden, dem viel Zeit gewidmet wird – und der auch im Kontakt mit Menschen nicht unterschätzt werden sollte. Das jedenfalls legt eine Untersuchung nahe, die französische Forscher nun vorgelegt haben und die einige höchst interessante Aufschlüsse über diesen spezifischen Aspekt im Umgang mit Pferden lieferte. Im Rahmen der dabei durchgeführten Tests wurden die Pferde in zwei Gruppen aufgeteilt:
– Die erste Gruppe umfasste insgesamt 13 Pferde und erhielt insgesamt 11 Pflegeeinheiten in der Dauer von jeweils 10 Minuten; die Gruppe wurde besonders sanft gepflegt und gekrault, und man konzentrierte sich dabei auf jene Körperbereiche, wo es den Pferden besonders angenehm war.
– Die zweite Gruppe umfasste 14 Pferde, die eine Standard-Pflege ohne besondere Zuwendung erhielten, wie sie auch in vielen Lehrbüchern zu finden ist: Sie wurden – ebenfalls je 10 Minuten lang – mit etwa 80 Streichen pro Minute am ganzen Körper abgebürstet, wobei man einem standardisierten Protokoll folgte und die Reaktionen der Pferde nicht berücksichtigte.
Bei der elften Sitzung wurde eine exakte Bestandsaufnahme sämtlicher Verhaltensweisen und Ausdrucksformen (z. B. Gesichtsausdruck) der Pferde durchgeführt. Es zeigte sich, dass die Gruppe mit sanfter Pflege signifikant mehr „kontakt-suchendes“ Verhalten ausdrückte als die Gruppe mit Standard-Pflege, bei der sich deutlich mehr „Vermeidungs-Verhalten“ zeigte. Ganz offenkundig war die sanfte Pflege von den Pferden eindeutig mit positiven Emotionen besetzt, während die Standardpflege vermehrt negative Emotionen hervorrief.
Die Wissenschaftler analysierten auch die Herzfrequenz sowie die Herzfrequenzvariabilität der Pferde und entnahmen auch Blutproben zur Auswertung des Stresshormons Cortisol sowie des sogenannten „Liebes-Hormons“ Oxytocin. Diese zeigten jeweils vor und nach den Pflege-Einheiten keine wesentlichen Unterschiede – doch nach der elften und letzten Einheit waren die Basis-Oxytocin-Werte bei den Pferden der sanft gepflegten Gruppe niedriger als bei den Pferden der Standard-Gruppe. „Diesen Unterschied haben wir nicht erwartet“, so die Forscher gegenüber dem Portal Horsetalk.co.nz, „aber er bestätigt Untersuchungen, die gezeigt haben, dass ein geringer Basis-Oxytocin-Wert ein möglicher Indikator für gutes Wohlbefinden sein kann.“
Auch zahlreiche andere Faktoren wiesen in diese Richtung: Tatsächlich unterschieden sich sämtliche während der elften Pflege-Einheit gemessenen Verhaltensparameter signifikant zwischen den beiden Gruppen. Verhaltensweisen wie Ausweichen, Bauch oder Rücken festmachen oder Droh- bzw. Beißverhalten waren überwiegend in der Standard-Pflege-Gruppe zu beobachten – während im Gegensatz dazu positive Kontaktaufnahmen und auch das Abknabbern des Pflegers nahezu ausschließlich in der sanft gepflegten Gruppe festzustellen waren.
Auch bei der Auswertung der Gesichtsausdrücke zeigten sich drastische Unterschiede: Die Gruppe mit sanfter Pflege zeigte eine Mimik, die deutlich auf einen entspannten Zustand hinwies – mit halb geschlossenen Augen, nach vor gestreckten Lippen und einer tiefen Halsposition. Die Pferde der Standard-Pflege-Gruppe zeigten hingegeben Anzeichen von deutlichem Missfallen, etwa eine hochgezogene Halsposition, aufgerissene Augen und zusammengezogene Lippen.
Besonders bemerkenswert: Diese deutlich unterschiedlichen Gesichtsausdrücke zwischen den beiden Testgruppen waren auch noch ein Jahr später vorhanden, als beide Gruppen neuerlich eine neutrale Pflege-Prozedur durchliefen: „Das legt nahe, dass das Beobachten von Gesichtsausdrücken eine sehr gute Methode ist, um die Gefühle zu bewerten, die ein Pferd während der Pflege empfindet, auch wenn es keine anderen spezifischen Verhaltensweisen zeigt.“
Daher sei die Mimikforschung generell eine vielversprechende Möglichkeit, die Emotionen von Tieren darzustellen und zu interpretieren. Für zukünftige Arbeiten wäre es auch interessant, die hier identifizierten Gesichtsausdrücke mit denen von Pferden zu vergleichen, die sich gegenseitig pflegen. „Nach unseren vorläufigen Beobachtungen scheinen sie sich sehr ähnlich zu sein“, so die Forscher.
Zusammenfassend meinten die Wissenschaftler: „Unsere Ergebnisse stimmen weitgehend mit früheren Daten überein, die zeigen, dass über die Körperpflege ein positiver sozialer Kontakt zu Pferden aufgebaut werden kann, wenn dabei ihre bevorzugten Körperbereiche massiert werden – dass sie aber, wenn man auf die Reaktionen des Pferdes keine Rücksicht nimmt, auch zu starken Vermeidungs- und Abwehrreaktionen führen kann.“
Diese Ergebnisse seien auch deshalb wichtig, weil sie zeigen, dass nur elf Pflege-Einheiten von zehn Minuten Länge ausgereicht haben, um bei den Pferden eine subjektive Erfahrung zu speichern, die so stark und nachhaltig war, dass sie auch noch ein Jahr später andere Emotionen hervorgerufen hat, wenn sie erneut von jener Person gepflegt wurden, die sie auch damals behandelt hatte: „Das unterstützt einmal mehr frühere Studien an Haustieren, die gezeigt haben, dass schon ein kurzer Kontakt mit Menschen bei Tieren dauerhafte Spuren hinterlassen kann“, so die Wissenschaftler.
Und es konnte nachgewiesen werden, dass Pflegepraktiken, die auf den ersten Blick als harmlos erscheinen, das langfristige Wohlbefinden des Pferdes und die Beziehung zum Menschen nachhaltig beeinflussen können. „Unsere Studie soll eine Grundlage sein, respektvolle und sichere Praktiken im Umgang mit Pferden zu fördern, basierend auf sorgfältigen Beobachtungen ihrer Verhaltensweisen und Mimik“, so die Wissenschaftler abschließend.
Die Untersuchung „Facial expression and oxytocin as possible markers of positive emotions in horses“ von Léa Lansade, Raymond Nowak, Anne-Lyse Lainé, Christine Leterrier, Coralie Bonneau, Céline Parias und Aline Bertin ist in der Zeitschrift ,Scientific Reports’ erschienen und kann in vollständiger englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.