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Was bringt es, Pferden die Augen zu verbinden?
15.05.2024 / News

Unter bestimmten Umständen – und wenn der Zeitfaktor keine Rolle spielt – kann es nützlich sein, Pferden die Augen zu verbinden und sie so vor furchteinflößenden visuellen Reizen zu schützen.
Unter bestimmten Umständen – und wenn der Zeitfaktor keine Rolle spielt – kann es nützlich sein, Pferden die Augen zu verbinden und sie so vor furchteinflößenden visuellen Reizen zu schützen. / Foto: Caleigh Copelin et.al.

Dieser Frage sind ForscherInnen der Universität von Guelph in Kanada nachgegangen – und kamen zu spannenden Ergebnissen: In bestimmten Notsituationen kann das Verbinden der Pferdeaugen tatsächlich Vorteile bringen – aber nicht in allen.

 

Pferden die Augen zu verbinden soll ihnen den Umgang mit Stresssituationen erleichtern: Die Augen zu bedecken soll Ablenkungen reduzieren, die sie in Angst oder Panik versetzen könnten, insbesondere in neuen, unruhigen oder furchteinflößenden Umgebungen, so die allgemeine Annahme. Doch auch wenn man diese Technik – etwa in akuten Notsituationen – vielfach anwendet, gibt es in diesem Bereich bislang nur begrenzte Forschungsergebnisse.

Dies wollten die ForscherInnen Caleigh Copelin, Bryn Hayman, Renée Bergeron und Katrina Merkies an der Universität von Guelph ändern und führten eine Studie zu exakt diesem Thema durch. Ihre Forschung legt nahe, dass das Verbinden der Augen bei der Begegnung mit visuell einschüchternden Reizen Vorteile tatsächlich Vorteile bieten kann, insbesondere in Situationen, in denen der Zeitfaktor keine oder nur untergeordnete Bedeutung hat.

In Notsituationen aber, in denen rasch gehandelt werden muss – beispielsweise bei der Evakuierung eines Scheunenbrandes – kann sich aber durch das Verbinden der Augen die Zeit verlängern, die zum Herausführen der Pferde aus der Notlage benötigt wird, und es kann dabei auch vermehrt zu Widersetzlichkeiten und Ablehnungsverhalten kommen, was die Rettungsbemühungen behindern und möglicherweise die Sicherheit von Mensch und Tier gefährden könnte.

An der Studie nahmen 33 Reitschulpferde teil, die jeweils mit und ohne verbundenen Augen durch einen Hindernisparcours geführt wurden. Parameter wie benötigte Zeit, der Druck auf den Führstrick, Herzfrequenz und Häufigkeit von Vermeidungs- oder Widerstandsverhalten wurden aufgezeichnet und zwischen den beiden Gruppen verglichen.

Insgesamt benötigten Pferde mit verbundenen Augen mehr Zeit und übten beim Führen aus dem Stall einen größeren Druck auf das Führseil aus als Pferde ohne verbundenen Augen. Sie zeigten auch häufiger Vermeidungs- und Ablehnungsverhalten und erlebten während des Prozesses einen stärkeren Anstieg der Herzfrequenz.

Beim Navigieren durch ein visuell beängstigendes Hindernis (ein Tor aus mehreren Schwimmnudeln, die ihre Flanken berührten) benötigten Pferde mit verbundenen Augen jedoch weniger Zeit, übten weniger Druck am Führseil aus und zeigten weniger Vermeidungs- oder Ablehnungsverhalten als Pferde ohne verbundene Augen.

Die Forscher vermuten, dass das Verbinden der Augen in Situationen mit visuell beängstigenden Reizen und in denen zeitliche Einschränkungen keine Rolle spielen, von Vorteil sein kann. Ihr Resümee: „In zeitlich kritischen Notfallsituationen wird das Tragen einer Augenbinde nicht empfohlen, da es die für das Führen erforderliche Zeit verlängert und widerständiges Verhalten hervorruft, welches das Handling des Pferdes erschwert. Bei der Vorbereitung auf Notfälle sollte der Schwerpunkt stattdessen auf der Bereitstellung von Schulungen für den Umgang mit Pferden für Notfallpersonal in ländlichen Regionen liegen. Eine verringerte Herzfrequenz beim zweiten Bewältigen des Hindernisparcours lässt darauf schließen, dass die Durchführung von Notfallübungen, um die Pferde an die Anforderungen einer Evakuierung zu gewöhnen, die Erfolgsaussichten verbessern kann. Augenbinden können die Beherrschbarkeit verbessern, wenn ein Pferd mit beängstigenden visuellen Reizen zu kämpfen hat und der Zeitfaktor keine Rolle spielt."

Dennoch seien weitere Untersuchungen erforderlich, um etwa die Wirksamkeit von Augenbinden in simulierten Notfallszenarien realistischer beurteilen zu können, so die AutorInnen zusammenfassend.

Die Studie „Compliance or confusion? The usefulness of blindfolding horses as a handling technique" von Caleigh Copelin, Bryn Hayman, Renée Bergeron und Katrina Merkies ist in der Februar-Ausgabe 2024 der Zeitschrift ,Applied Animal Behaviour Science' erschienen und kann in englischer Originalfassung hier nachgelesen werden.

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